Georg Friedman über das Hauptinteresse der US-Außenpolitik finden Sie im folgendem Video bei Min.1:46-12:04
www.kla.tv/5588 Ergänzende Sendung zu diesem Thema: Deutschland im Krieg gegen Russland (von Ivo Sasek) www.kla.tv/21969 |
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27.03.2022 | www.kla.tv/22055
Am 24. März 2022 hat US-Präsident Joe Biden gleich an drei Gipfeltreffen in Brüssel teilgenommen und über den Ukraine-Krieg beraten: am Sondergipfel der Staaten der NATO, an einem Treffen der G7-Länder und mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. „Bidens Schulterschluss mit Europa“, titelte „tagesschau.de“. Und weiter: „Neben schärferen Sanktionen und der Stärkung der NATO-Ostflanke geht es auch um die Symbolik: Die USA an der Seite Europas.“ „Einigkeit zu demonstrieren zwischen Europa und den USA war das oberste Ziel“, schrieb das Schweizer Radio und Fernsehen SRF am 25. März. SRF sprach von einem fünften Paket von Sanktionen gegen Russland und von einem Stopp von Gas- oder zumindest von Erdöllieferungen aus Russland, was kommen werde, sobald es möglich sei. „Die westlichen Staaten werden Ausdauer zeigen müssen bei dieser Geschlossenheit gegen Russland“, so SRF weiter. Wer aber genau muss „Ausdauer“ zeigen und wen könnte es bei der von der US-Regierung forcierten, rigorosen Sanktionspolitik gegen Russland am härtesten treffen? Geht es US-Präsident Biden bei seinen Besuchen wirklich um Einheit und Solidarität mit Europa, oder stecken ganz andere Ziele dahinter? Bereits am 6. März 2022 erschien auf dem YouTube-Kanal des deutschen Politikberaters Michael Lüders eine bemerkenswerte, umfassende Analyse zum Krieg in der Ukraine – die eine mögliche Antwort auf genau diese Fragen gibt. Lüders analysiert den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann, auf eine ausgewogene, umfassende und aufschlussreiche Weise. Einerseits lässt er keinerlei Rechtfertigung für den „russischen Überfall auf die Ukraine“ zu, anderseits blickt er über den Tellerrand westlicher Beurteilungen hinaus. Er zeigt umfassende Hintergründe auf, wie der Russland-Ukraine-Konflikt offensichtlich von der US-Administration instrumentalisiert wird. Lüders studierte arabische Literatur, Islamwissenschaften, Politologie und Publizistik. Er produzierte Dokumentarfilme für SWR und WDR und war langjähriger Nahostkorrespondent der Wochenzeitung Die Zeit. Kla.TV hat die wichtigsten Aussagen Lüders’ für Sie zusammengefasst. Die komplette Analyse Lüders’ vom 6. März finden Sie im eingeblendeten Link am Schluss der Sendung. 1. Lüders zu den Zielen Russlands Russland verfolge mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vorwiegend zwei Ziele: Zum einen, die russischsprachigen Ostgebiete und insbesondere die ukrainischen Küstenregionen entlang des Schwarzen Meeres umfassend zu erobern, möglicherweise mit dem Ziel, sie später zu annektieren. Und zum anderen, die Hauptstadt Kiew einzunehmen, in der Absicht wohl, dort eine prorussische Regierung einzusetzen. 2. Lüders zu der Frage, wie es zu dem Krieg in der Ukraine kommen konnte Was in der westlichen Berichterstattung vollkommen fehle, sei Ursachenforschung, wie es zu diesem Krieg kommen konnte. George Kennan, US-Diplomat und langjähriger strategischer Vordenker amerikanischer Außenpolitik, erklärte bereits 1998 in einem Interview, nachdem der US-Senat die erste Runde der NATO-Osterweiterung beschlossen hatte: „Diese Entscheidung ist ein tragischer Fehler. Es gibt keinerlei Notwendigkeit dafür. Niemand hat wen auch immer bedroht.“ Weiterhin führte er aus – fast schon prophetisch: „Früher oder später wird Russland darauf reagieren.“ In der vom Bundeskanzleramt finanzierten Stiftung „Wissenschaft und Politik“ veröffentlichte der General a. D. Wolfgang Richter kürzlich einen Beitrag unter der Überschrift: „Ukraine im NATO-Russland-Spannungsfeld“. Darin beschreibt er recht unmissverständlich, wie Washington alle Versuche einer Lösung der Ukrainekrise in den letzten Jahren politisch zu unterlaufen wusste. Der russische Präsident habe immer wieder die Nähe zum Westen gesucht, doch weder die USA noch die EU habe sich veranlasst gesehen, Russland auf Augenhöhe zu begegnen. 3. Lüders zu der westlichen Antwort und Sanktionspolitik auf den russischen Einfall in die Ukraine Die westliche Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Die Reihen innerhalb der EU (mit Ausnahme Ungarns) und zwischen den USA und Europa schlossen sich umgehend. Lüders zählt die gegen Russland verhängten Sanktionen auf, gegen die russische Zentralbank bis hin zu Boykott-Maßnahmen in Kultur und Sport. Lüders wagt einen wirtschaftlichen und geopolitischen Ausblick mit Blick auf die gegen Russland verhängten Sanktionen. Diese werden auch die deutsche Wirtschaft als Bumerang massiv treffen und schwächen. Die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgases stamme aus Russland, sowie ein Drittel des benötigten Erdöls und 45 % der verfeuerten Steinkohle. Russland stehe auf Platz zehn der wichtigsten Außenhandelspartner Deutschlands. Überdies sei Russland ein wichtiger Exporteur von seltenen Erden und Metallen, die in den weltweiten Lieferketten, etwa bei der Chipherstellung oder im Autobau, fest eingeplant und eingepreist seien. Alle westlichen Staaten seien eng verflochten mit der Wirtschaft Russlands. Die meisten seien abhängig von Energielieferungen aus Russland. Sollte Russland auf die Sanktionen des Westens mit Gegenreaktionen im Energiebereich antworten, hätten die westlichen Staaten ein sehr ernsthaftes Problem und dies käme einer volkswirtschaftlichen Strangulierung gleich. Lüders folgert, dass Sanktionen gegen Russland keine Dauerlösung sein können, es sei denn um den Preis des eigenen wirtschaftlichen Niedergangs. 4. Lüders zu der Antwort Deutschlands auf den russischen Einfall in die Ukraine Am 27. Februar 2022 erklärte Bundeskanzler Scholz vor dem Bundestag, Berlin werde künftig – wie bereits von Präsident Trump gefordert – jährlich nicht unter 2 % des Bruttoinlandsproduktes für den Verteidigungshaushalt aufwenden. Darüber hinaus stimmte die Bundesregierung deutschen Waffenlieferungen für die Ukraine im Wert von mehr als 1 Mrd. Euro zu. Dies zusätzlich zu den Waffenlieferungen weiterer EU- und NATO-Staaten für die Ukraine, welche von der US-Regierung koordiniert seien. Diese Beschlüsse der Bundesregierung seien konträr zu ihrer bisherigen Linie – nämlich keine Waffen in Kriegs- oder Krisengebiete zu liefern. Präsident Putin reagierte auf die Waffenlieferungen für die Ukraine, indem er die russischen Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzte. Im Einklang mit den USA und der europäischen Union suche die jetzige Bundesregierung die Beziehungen zu Russland zu kappen oder auf ein Minimum zu reduzieren – dies offenbar auf Dauer! So setzte die Bundesregierung die Zertifizierung der fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 2 auf unbestimmte Zeit aus. Dabei übersehe sie allerdings, dass sie der Exportnation Deutschland mit dieser Haltung dauerhaft Schaden zufügen könnte. Die Bundesregierung versuche zwar die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern und beispielsweise deutlich teureres Flüssiggas vornehmlich aus den USA zu importieren. Dies sei aber wirtschaftlicher Unfug, so Lüders, und führe dazu, dass künftige Bundesregierungen Flüssiggas vermutlich dauerhaft subventionieren müssen. Andernfalls wären deutsche Unternehmen nicht wettbewerbsfähig und die Gaspreise für private Verbraucher könnten unbezahlbar werden. Kein Programm könne jedoch die deutsche und europäische Abhängigkeit von russischen Ressourcen verringern. Diese dürften noch mindestens 20 bis 25 Jahre fortbestehen, wenn nicht sogar dauerhaft. Unter anderem aus diesem Grund dürfte sich die viel beschworene Einheit des Westens gegenüber Russland eher früher als später verflüchtigen. Fazit Lüders’: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Deutschland am Ende weitgehend allein auf weiter Sanktionsflur dasteht. Moralisch auf hohem Niveau, aber wirtschaftlich im Niedergang. 5. Lüders zu der Antwort der US-Regierung auf den russischen Einfall in die Ukraine Die Regierung Biden habe bereits zu Jahresbeginn klargestellt, dass sie auch im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine nicht beabsichtigt, ihre Erdölimporte aus Russland einzustellen oder auch nur zu reduzieren. Die Vereinigten Staaten sind der zweitgrößte Importeur russischen Erdöls. Ebenfalls von allen US-Sanktionen ausgenommen: Aluminium, dringend erforderlich etwa zur Chip-Herstellung. 15 % ihres Bedarfes in diesem Bereich decken die USA aus Russland. Im November finden in den USA Zwischenwahlen statt und die Regierung Biden könne sich steigende Benzinpreise nicht erlauben. Auf die Frage, welchen Preis denn die USA für die Russland-Sanktionen zahlen würden, erwiderte Präsident Biden kurz und bündig: keinen. Der Trick der US-Regierung sei, so Lüders, sich um gemeinsame Werte zu bemühen, doch vor allem den Europäern den Preis für den neuen Kalten Krieg aufzubürden. Und dies im wirtschaftlichen wie auch im militärischen Bereich. 6. Lüders darüber, wie der Russland-Ukraine-Konflikt offensichtlich von der US-Administration instrumentalisiert wird Ohne den Einfall Russlands in die Ukraine rechtfertigen zu wollen, weist Lüders darauf hin, dass zur Wahrheit auch gehöre, dass dieser Zustand politisch durchaus gefördert und instrumentalisiert werde. Dies etwa mit dem Ziel, die USA von ihren Rüstungsausgaben und militärischen Verpflichtungen in Europa zu entlasten, um mehr Geld und Ressourcen für die Eindämmung Chinas aufwenden zu können. So werde in Talkshows immer wieder gegen Putin gehetzt und Angst geschürt. „Sind als nächstes die baltischen Staaten dran?“, heißt es dann etwa. Lüders erläutert ausführlich, warum sich US-Regierungen für die Ukraine interessieren: aus machtpolitischen Gründen. Diese habe der US-amerikanische Geostratege und Sicherheitsexperte George Friedman in einem Vortrag vor dem Chicago Council on Global Affairs am 3. Februar 2015 benannt. Friedman betonte dabei die Hauptbefürchtung der US-Regierungen – Lüders nennt sie „die größte Urangst“ –, dass deutsches Kapital und deutsche Technologien mit russischen Rohstoffressourcen und russischer Arbeitskraft sich zu einer einzigartigen Kombination verbinden, die die USA seit einem Jahrhundert zu verhindern versuchen. Die Frage sei nun, so Friedman, wie man erreichen könne, dass diese deutsch-russische Kombination verhindert werde. Im Anschluss an diese Sendung sehen sie den von Lüders erwähnten Auszug aus der Rede von George Friedman vom 3. Februar 2015. Die Aussagen Friedmans seien „klare Worte“, so Lüders, die kaum Zweifel lassen, dass die Ukrainer die Bauern auf einem geopolitischen Schachbrett sind. Vor diesem Hintergrund sei auch ersichtlich, warum die US-Regierung um jeden Preis das Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 zu verhindern wussten. Dabei gehe es nicht allein um das Flüssiggas, sondern auch um die von Friedman benannte „Urangst“. Die US-Regierung habe an einer Deeskalation im Russland-Ukraine-Konflikt kaum Interesse und werde dementsprechend auch weiterhin eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine forcieren. Wenn sich die EU und insbesondere Deutschland in dieser Frage nicht klug positionieren, laufen sie Gefahr, als Hilfstruppen für amerikanische Interessen zu enden. 7. Lüders’ Schlussfolgerung und Appell an die deutsche Regierung Die Deutschen hätten keinen Anlass, sich vor den Karren US-amerikanischer Machtpolitik zu spannen. Das vorrangige Ziel müsse sein, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Das setze voraus, mit der Regierung Russlands als auch mit Präsident Putin gesprächsbereit zu bleiben und nach Kompromissen zu suchen. Eine politisch und militärisch nach Westen orientierte Ukraine könne und werde Russland nicht zulassen. Deutschland brauche zu beiden Ländern, Russland sowie der Ukraine, belastbare Beziehungen und keinen Kalten Krieg 2.0. Lüders weist auf mögliche Alternativen hin: einen Krieg gegen Russland zu führen? Einen 3. Weltkrieg mit Atomwaffen zu riskieren? Oder die deutsche Wirtschaft mit Hilfe endloser Sanktionen auf Talfahrt zu schicken, die weder Deutschland noch der Ukraine nützen, wohl aber US-amerikanischen Interessen? Die Machteliten, ob in Moskau, in Washington oder anderswo, stünden nicht im Dienste ihrer Bevölkerung, sondern verfolgten ihre eigenen Interessen. Sogar eine nukleare Vernichtung würden diese nicht von vornherein und nicht grundsätzlich ausschließen. Den Frieden zu bewahren setze voraus, dass die Menschen in den USA, in Europa, in der Ukraine sowie in Russland erkennen, dass sie sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und die Zukunft selbst gestalten müssen. Die Solidarität und das Mitgefühl soll all jenen gelten, die den Preis dafür bezahlen, dass kleine Minderheiten, elitäre Machtzirkel, das Schicksal ganzer Völker bestimmen. Bleiben wir wachsam!
von dd.
SRF 06:00 Uhr Nachrichten „HeuteMorgen“ vom 25.03.2022: Demonstrative Einigkeit der westlichen Staaten in Brüssel https://www.srf.ch/audio/heutemorgen/demonstrative-einigkeit-der-westlichen-staaten-in-bruessel?id=12165998#autoplay
Michael Lüders’ Analyse zum Krieg in der Ukraine vom 06.03.2022 (Russlands Überfall auf die Ukraine: Wie geht es weiter?) https://www.youtube.com/watch?v=FlXihZc2IzQ
Stratfor-Rede von George Friedman vom 04.02.2015 in voller Länge https://www.youtube.com/watch?v=QeLu_yyz3tc
Stratfor-Rede: „100 Jahre US-Angriff auf deutsch-russische Freundschaft‟ (gekürzte Fassung) www.kla.tv/5588