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20.12.2022 | www.kla.tv/24540
Deutschland ist ganz unerwartet an die vorderste Front im Ukrainekrieg gerückt. Das wirft viele Fragen auf, allen voran die nach der globalen Führungsrolle der Vereinigten Staaten und den Konsequenzen ihrer Politik. Seit dem 2. Weltkrieg treten die Vereinigten Staaten als globaler Schutzherr für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte auf. Sie präsentieren ihre politischen, militärischen und wirtschaftlichen Strategien als notwendige Schritte, um diese Ziele umzusetzen und fordern die restlichen Staaten dazu auf, sie zu unterstützen. Auf diese Weise richten sie das Augenmerk auf ihre Feinde und weg von ihrem eigenen Handeln. Bei den Angriffen auf die Zwillingstürme in New York und auf das Pentagon in Washington am 11. September 2001 ist es zu einer folgenschweren Steigerung dieser Strategie gekommen. Unmittelbar danach bekundete Präsident Busch in seiner öffentlichen Rede unter anderem: „Amerika wurde zum Angriffsziel, weil wir das strahlendste Leuchtfeuer der Freiheit und der Möglichkeiten dieser Welt sind. […] Im Namen des amerikanischen Volkes danke ich den vielen Staatsoberhäuptern der ganzen Welt, die sich gemeldet haben, um ihr Beileid auszusprechen und ihre Hilfe anzubieten. Amerika, seine Freunde und Verbündeten schließen sich mit all denen zusammen, die Frieden und Sicherheit in der Welt wollen, und wir werden gemeinsam den Krieg gegen den Terrorismus gewinnen. […] Keiner von uns wird diesen Tag je vergessen, aber wir schreiten voran, um die Freiheit und alles, was gut und was gerecht ist in unserer Welt, zu verteidigen. […].“ Mit diesen Worten hat Präsident Bush eine radikale geschichtliche Wende eingeleitet. Das unbemerkte Detail dabei war, dass er die Angriffe auf die Zwillingstürme und auf das Pentagon nicht als Terrorakte interpretiert hat, sondern abstrakt als „Terrorismus“, der die gesamte amerikanische Nation und all die Werte, die sie überall in der ganzen Welt sichern will, angreift. Und daraus hat er die Notwendigkeit eines weltweiten Krieges gegen diesen anonymen Feind gefolgert, so als wäre dies die einzig angemessene Reaktion auf die Tragödie, die soeben stattgefunden hatte. Busch hat es zudem nicht versäumt, sofort alle „Freunde und Verbündeten“ moralisch zum „gemeinsamen Kampf“ gegen diesen verborgenen Feind aufzurufen. Das setzte eine Suche nach ihm voraus. Personen, Gruppen, Nationalitäten, Nationen, wer auch immer konnten plötzlich verdächtig werden. Zudem ging es von vornherein nicht um Verteidigung, sondern um Angriff. Haben die USA, unter den Präsidenten Bush, Obama, Trump und Biden, auf diesem Weg wirklich der weltweiten Sicherung von Freiheit, Recht und Frieden gedient? Das Watson Institute For International And Public Affairs der Brown University in Washington hat eine Projektstudie über die menschlichen und wirtschaftlichen Kosten der US-Kriege nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 in New York durchgeführt. Hier ein Auszug der wichtigsten Erkenntnisse, Stand 2021: Die Kosten der Antiterror-Kriege der USA nach 9/11 → mindestens 929.000 Menschen kamen durch direkte Kriegsgewalt ums Leben, Streitkräfte aller Seiten, Zivilisten, Journalisten und humanitäre Helfer → viele Verluste indirekt durch Unterernährung, beschädigte Infrastruktur und Umweltzerstörung → über 387.000 Zivilisten und 7050 US-Soldaten getötet → 38 Millionen Menschen durch die Kriege in Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Libyen, Jemen, Somalia und auf den Philippinen vertrieben → Antiterrormaßnahmen in 85 Ländern von der US-Regierung durchgeführt, dadurch Ausweitung der Kriege auf dem gesamten Globus → Aushöhlung der bürgerlichen Freiheiten und der Menschenrechte im In- und Ausland → die menschlichen und wirtschaftlichen Kosten dieser Kriege werden noch jahrzehntelang andauern → ein Großteil der bereitgestellten Mittel für den Wiederaufbau im Irak und in Afghanistan für die Bewaffnung der Sicherheitskräfte in beiden Ländern verwendet → ein Großteil der Mittel für humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau der Zivilgesellschaft durch Betrug, Verschwendung und Missbrauch verloren gegangen → Kosten der Kriege nach 9/11 im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Syrien und weitere: etwa 8 Billionen Dollar → die politischen Entscheidungsträger der USA haben nach 9/11 kaum Alternativen zum Krieg in Betracht gezogen. Diese dramatischen Fakten, die ja nur gerade die Spitze des Eisbergs abbilden, rütteln wach. So tragisch die fast 3000 Opfer vom 11. September 2001 auch waren, sie stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten der vielen Antiterrorkriege, die seither stattgefunden haben. Dieser Befund wirft neues Licht auf das Verhältnis Deutschlands zum „Bündnispartner“ USA und demzufolge auch auf den aktuellen Ukrainekrieg. Krieg bringt niemals Recht und Gerechtigkeit, sondern grausamen Tod für unzählige Menschen und absurde Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Es ist an der Zeit, dass Deutschland mutig zur eigenen Verantwortung steht, statt sich rückgratlos äußerst fragwürdigen Zielvorgaben zu unterstellen.
von rfg
Die Rede von Präsident Bush nach den Anschlägen am 11. September 2001 https://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Handouts/2018-06-13-bush-rede.pdf
Die Kosten der Antiterrorkriege der USA nach den Anschlägen 9/11 (pdf) https://watson.brown.edu/costsofwar/papers/summary
Die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/zeitzeichen-elfter-september-newyork-pentagon-100.html