Weißrussland: «Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt»
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06.12.2021 | www.kla.tv/20866
Die Anschuldigungen gegen Alexander Lukaschenko, dem Staatsoberhaupt von Belarus [umgangssprachlich „Weißrussland“], sind heftig: Die EU wirft Lukaschenko vor, „Migration als Waffe“ einzusetzen. [Quelle 1] Bundesinnenminister Horst Seehofer warf Lukaschenko „hybride Kriegsführung“ vor. [Quelle 2] [hybrider Kriegsführung= Mischform von regulären offenkundigen und irregulären verschleierten Taktiken, um ein Zielland zu destabilisieren] Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF titelte: „Lukaschenkos Erpressung mit Migranten hat nicht funktioniert“. [Quelle 3] Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas nannte Lukaschenko den „Chef eines staatlichen Schleuserrings“ und befürwortet weitere Sanktionen „gegen den belarussischen Diktator“. [Quelle 2] Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen behauptet, Lukaschenko nähme billigend in Kauf, dass Menschen auf ihrem Weg erfrieren und verhungern. Doch was ist dran an den Anschuldigungen, die von den westlichen Medien gebetsmühlenartig wiederholt werden, und was steckt dahinter? Kla.TV hat die Anschuldigungen einem Faktencheck unterzogen. Nun jedoch der Reihe nach. Was ist geschehen? Seit Juli 2021 versuchen Migranten über das Staatsgebiet von Belarus in die Europäische Union zu kommen – auch „Belarus-Route“ genannt. Mehrheitlich handelt es sich um Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten wie dem Irak, Syrien, Jemen, Libanon oder Afghanistan. Schätzungsweise sind es um die 10.000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr bisher versucht haben, über Belarus in die EU zu gelangen. [Quelle 4] Am 2.September hat die polnische Regierung den Ausnahmezustand im Grenzgebiet zu Belarus ausgerufen. Ein provisorischer Zaun aus Stacheldrahtrollen wurde errichtet. [https://www.youtube.com/watch?v=dNMJIv50QtY&t=4446s] • Ein Zutrittsverbot u.a. für Menschenrechtsorganisationen und Journalisten wurde verhängt. • Um die 15.000-20.000 polnische Soldaten mit Panzern sichern die Grenze zu Belarus. • Rund 2.100 Flüchtlinge saßen an der Grenze fest, die weiterhin versuchten, in die EU zu gelangen. • Polnische Soldaten setzten Lärm- und Blendgranaten sowie Wasserwerfer ein, um dies zu verhindern. [Quelle 5] Es waren aber die weißrussischen Behörden, die alles veranlasst haben, um die festgesessenen Flüchtlinge zu beschützen: • Zelte wurden aufgebaut, • Brennholz geliefert, • Kinder und Frauen mit warmem Essen versorgt, • Ärzte vor Ort organisiert usw. Am 18. November verließen alle Flüchtlinge freiwillig das notdürftig aufgebaute Zeltlager an der weißrussisch-polnischen Grenze. Sie ließen sich wegen der schlechter werdenden und lebensbedrohlichen Wetterverhältnisse in ein Logistikzentrum in Belarus bringen. [6] Dort erhalten sie warmes Essen, warme Kleidung und Bedarfsgüter, können sich waschen und werden medizinisch versorgt. Somit wäre die eine Anschuldigung, Lukaschenko ließe die Flüchtlinge „erfrieren und verhungern“, nachweislich widerlegt. Nun zu den weiteren Anschuldigungen gegen Lukaschenko: 1. Hat Lukaschenko veranlasst, dass die Flüchtlinge über Belarus in die EU wollen? Zuerst einmal muss festgehalten werden, dass Lukaschenko überhaupt nichts damit zu tun hat, dass Migranten in die EU kommen wollen. Afghanistan, der Irak, Syrien und andere Länder im Nahen und Mittleren Osten haben US- und NATO-geführte Kriege erlebt, was gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Zerstörungen mit sich brachte. Selbst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kam nicht darum herum, Lukaschenko zu zitieren: „Menschen hätten dort keine Lebensgrundlage mehr und nutzten nun verschiedene Routen nach Europa, um sich eine Zukunft aufzubauen.“[Quelle 7] Die Migranten berufen sich auf die alte Einladung von Bundeskanzlerin Merkel. Und sie wissen genau, dass die sozialen Leistungen für Flüchtlinge in den EU-Ländern um ein Vielfaches höher sind, als ein guter Arbeiter in ihrem Herkunftsland jemals verdienen würde. Es gibt einen einfachen Grund, warum immer mehr Flüchtlinge versuchen, über Belarus in die EU zu kommen. Reisende aus vielen der Herkunftsländer brauchen keine Visa für Belarus. Oder es kann ein Touristenvisum beantragt werden, welches dann von einem weißrussischen Konsulat unter Einhaltung internationaler Verfahren und Fristen, ausgestellt wird. [8] Das ist nicht erst seit diesem Jahr so. Nur haben internationale Schlepperorganisationen – dieselben, die auch auf anderen Routen tätig sind – damit begonnen, die Lücke über Belarus zu nutzen. Belarus hält sich strikt an internationale Rechtsgrundlagen und hat nach eigenen Angaben seit Mitte Jahr bis Mitte November 2021 um die 5.000 illegal eingereiste Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. [9] Dies würde wohl kaum Sinn machen, wenn Lukaschenko als „Chef eines staatlichen Schleuserrings“ tätig wäre. 2. Hat Lukaschenko die Flüchtlinge als „Waffe“ eingesetzt, um die EU zu destabilisieren? Die Frage lässt sich leicht beantworten, wenn man auf die Zahl der Flüchtlinge schaut, die auf anderen Routen in die EU gelangen. Als 2015 um die 1,5 Millionen Flüchtlinge in die EU geströmt sind, hieß es, sie seien eine Bereicherung. Alleine Deutschland hat vom Januar bis September 2021 131.000 Flüchtlinge aufgenommen – ohne dass Medien und Politik von einer Destabilisierung sprachen. Wie sollen nun aber 10.000 Flüchtlinge plötzlich eine „Waffe“ sein und die EU destabilisieren, nur weil sie über Belarus gekommen sind? [Quelle 5] 3. Zum Vorwurf der „hybriden Kriegsführung“. Hören Sie als Gegenstimme Lukaschenko selbst, was er zum Vorwurf der „hybriden Kriegsführung” sagt: „Die Polen, also die Staatsführung, üben Druck aus auf die Europäische Union, indem sie verkünden, dass wir hier eine hybride Attacke gegen die EU durchführen. Wir wissen, dass dies alles Quatsch ist und das haben wir nicht nur einmal gesagt. Ihr habt zu euch die sogenannten Migranten eingeladen, dann holt sie auch ab. Ihr habt sie zu euch gerufen, ihr habt diese Länder dort in den Ruin getrieben. Ihr seid die Hauptursache dafür, dass die Menschen von dort fliehen vor dem Krieg nach Westen. Von daher muss man sich darum kümmern. Und ich habe nicht nur einmal klargestellt, dass es sich hierbei um eine internationale Bande handelt, die von dort aus die Leute befördert, nicht nur durch Weißrussland. Hören Sie, über das Mittelmeer kommen deutlich mehr Leute in die Europäische Union. Sie kommen in Scharen, und das ist alles organisiert durch entsprechende Personen, die diese Leute in ihren Ländern organisieren und versammeln. Sie finanzieren sogar zum Teil diese Leute und bringen sie dann ins Flugzeug. Dann fliegen sie hierher und nutzen die Visafreiheit, die hier bei uns existiert. Und auch hier werden sie empfangen von entsprechenden Personen. Diese bringen sie dann zur Grenze und befördern sie dann über die Grenze. Und dort bei ihnen, in Polen und Litauen und anderen Ländern, sitzen die allerletzten Banditen, welche die Migranten einsammeln und dann bringen sie sie weiter nach Deutschland. […] Und ich habe es schon offen gesagt, ihr habt gegen uns einen hybriden Krieg angezettelt. Ihr führt gegen uns einen Sanktionskrieg und dann wollt ihr jetzt, dass wir euch hier auch noch beschützen?“ All die Anschuldigungen gegen Lukaschenko, die von Medien und Politik wiederkehrend geschürt werden, können einem unabhängigen Faktencheck kaum standhalten. Vielmehr muss geschlussfolgert werden, dass die humanitäre Krise an der weißrussisch-polnischen Grenze von westlichen Medien und Politikern instrumentalisiert wird, um Lukaschenko weiter in die Enge zu treiben: - medial, um Umsturzversuche gegen Lukaschenko zu rechtfertigen - militärisch, um militärische Aufrüstungen an der Grenze zu Belarus zu rechtfertigen - wirtschaftlich, um Sanktionen gegen Belarus zu rechtfertigen und zu erweitern. Ein unliebsamer Staatschef, der nicht bereit ist, sich den Diktaten von IWF, WHO, westlichen Wertevorstellungen usw. zu unterwerfen und z.B. eine eigene Corona-Politik betreibt, dessen Land soll bis zu einem Regierungsumsturz destabilisiert werden. (www.kla.tv/17185) Das Beispiel Lukaschenko offenbart, wie es westliche Medien und Politiker immer wieder fertigbringen, das, was sie selber tun – mit Hilfe hybrider Kriegsführung ein unliebsames Land zu destabilisieren –, andern in die Schuhe zu schieben. Um sich selber über Lukaschenko ein unvoreingenommenes Bild zu machen, ist folgendes Video zu empfehlen, in dem Lukaschenko über sein Telefonat mit Merkel erzählt: https://www.youtube.com/watch?v=Zab9bEsZfFQ&t=618s
von dd.
[2] Politische Reaktionen und Folgen https://de.wikipedia.org/wiki/Migrationskrise_an_der_Grenze_zwischen_Belarus_und_der_Europ%C3%A4ischen_Union#Politische_Reaktionen_und_Folgen
[3] „Lukaschenkos Erpressung mit Migranten hat nicht funktioniert“ https://www.srf.ch/news/international/konflikt-belarus-eu-lukaschenkos-erpressung-mit-migranten-hat-nicht-funktioniert
[4] Die mediale Desinformation über die Flüchtlingskrise an der weißrussischen Grenze https://www.anti-spiegel.ru/2021/lukaschenko-droht-im-falle-neuer-eu-sanktionen-den-gashahn-zuzudrehen/
https://www.anti-spiegel.ru/2021/die-mediale-desinformation-ueber-die-fluechtlingskrise-an-der-weissrussischen-grenze/
[5] Migranten an der weißrussisch-polnischen Grenze – Lage vor Ort (Wasserwerfer gegen Migranten) https://www.youtube.com/watch?v=dNMJIv50QtY&t=14112s
[6] Belarus: Migranten aus Nahost in Logistikzentrum untergebracht https://snanews.de/20211119/belarus-migranten-in-logistikzentrum-4384293.html
[7] https://www.spiegel.de/ausland/belarus-lukaschenko-sieht-schuld-fuer-migrationskrise-bei-schleusernetzwerken-a-a91e43f3-361c-4f73-b557-bfd375d8abca
[8] Lukaschenko: „Sie haben ein Loch bei uns entdeckt.“ https://www.anti-spiegel.ru/2021/die-fluechtlinge-zeigen-was-die-eu-und-all-ihre-werte-wert-sind/
[9] Lukaschenko erzählt über sein Telefonat mit Merkel im Detail https://www.youtube.com/watch?v=Zab9bEsZfFQ&t=618s