Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik dem Recht angepasst werden.
– Immanuel Kant
Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht.
– Marie von Ebner-Eschenbach
Unsere Macht ist zerstörerisch. Wir können zwar die Schöpfung beenden und alle Menschen töten, aber wir können keinen einzigen Menschen erschaffen.
– Franz Alt
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22.04.2019 | www.kla.tv/14188
Der belgische Sexualstraftäter Marc Dutroux hatte in den 1990er Jahren mehrere Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 19 Jahren entführt, sexuell missbraucht und zwei von ihnen ermordet. Bis heute schlägt der Fall Wellen. Noch im August 2016 erklärten der ehemalige belgische Justizminister Marc Verwilghen und der frühere Chefankläger Michel Bourlet, dass der Fall bis heute nicht vollständig aufgeklärt sei. «Ich wurde immer wieder gestoppt», sagte Verwilghen der «Welt am Sonntag». Er habe immer wieder neue Ermittlungen gefordert, damit herausgefunden werden könne, ob es Verbindungen von Dutroux zu einem international agierenden Kinderschänder-Netzwerk gegeben habe. Verwilghen wörtlich: «Weil der Fall aber eben nicht ausermittelt wurde, ist diese Frage bis heute unbeantwortet.» Der ehemalige Chefankläger im Verfahren gegen Dutroux, Michel Bourlet, sagte der «Welt am Sonntag»: «Ich verstehe nicht, warum die Ermittlungen, die ich gefordert habe, nicht geführt wurden.» So könne auch er nicht mit Sicherheit sagen, was hinter dem Fall stecke. Im Dezember 2016 machte die Belgierin Anneke Lucas ihre Lebensgeschichte öffentlich: Sie war Opfer jenes berüchtigten belgischen Kinderschänder-Netzwerks, das in den 90er Jahren durch den «Fall Dutroux» bekannt, aber niemals ganz enttarnt wurde. Adlige, Politiker und VIPs seien in die Verbrechen involviert, sagte Lucas, die nur durch Glück überlebte. Sie sagte wörtlich: «Wenn wir als Spezies überleben wollen», müsse die Welt bereit sein, sich mit der Dunkelheit der Kinderschänder-Netzwerke auseinanderzusetzen. Der «Fall Dutroux» dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, wenn es um vertuschte Kinderschänder-Delikte geht. Auch in der Schweiz gab es einen solchen Fall: Ende der 1980er Jahre wurde gegen einen mutmaßlich pädophilen Gerichtspräsidenten ermittelt, der regelmäßig nach Paris fuhr, um dort Buben zu missbrauchen. Doch das Verfahren wurde eingestellt. Kaum im Dienst, erfuhr der damals junge Züricher Polizist Peter Mathys davon. Mathys schrieb mehreren höheren Beamten und wollte auf den Fall aufmerksam machen. Mathys wörtlich: «Weil ich mich als Polizist dazu verpflichtet fühlte. Ich dachte, jetzt kommt alles ins Rollen. Doch nichts passierte. Nicht einmal eine Antwort erhielt ich.» Der Fall lässt Mathys nicht los. Erfolglos versuchte er weiterhin bei den Behörden, dass der Fall richtig aufgeklärt wird. Fast 30 Jahre später rekonstruierte er den Fall und schreibt einen Tatsachen-Krimi – «Schlimmer Verdacht» – darüber. Darin konnte Mathys das Erlebte nun verarbeiten. «Hätte ich diese Geschichte nicht erzählt, wäre ich als Polizist psychisch kaputtgegangen», so Mathis. Damit wollte er auch den Sittenpolizisten rehabilitieren, der kaputtgemobbt und für unglaubwürdig erklärt worden sei. Sehen Sie nun das Interview, welches Klagemauer.TV exklusiv mit Peter Mathys führte. Eine weitere Stimme von vielen, die nachweist, wie höchste Kreise in Kinderschänder-Netzwerke verstrickt sind und wie diese gedeckt werden: Keine Verschwörungstheorie – bittere Realität! Interview: Werni: Hier nun, herzlich willkommen, Peter Mathys – Polizist, Autor, Krimiautor, ehemaliger Radrennfahrer. Wir zwei kennen uns schon seit den 1970er Jahren. Wir waren gemeinsam im selben Radrennclub unterwegs. Ja, Peter, zu Beginn möchte ich doch noch eine Frage stellen, dass das geklärt ist. Also, du gibst dich in diesem Interview offen als Polizist, du kommst mit Uniform, du nennst in diesem Interview dann Ross und Reiter. Jetzt ist meine Frage wegen Datenschutz und Amtsgeheimnis: Kollidiert das nicht irgendwo, hast du da keine Probleme? Peter Mathys: Ich denke nicht. Ja, Werni, wie man sieht, ich bin kein Whistleblower, trete in Uniform auf. Ich verstecke mich nicht. Trotzdem, das Bundesgericht – das ist das höchste Schweizer Gericht – hat in einem Whistleblower-Urteil klar die Vorgaben, Anforderungen definiert, was es braucht, dass eine Person, wie ich es bin, sich hilfesuchend an die Öffentlichkeit wenden kann. Und diese Bedingungen habe ich zur Genüge klar erfüllt. Trotzdem, was das Amtsgeheimnis anbelangt, dazu noch einige Worte. Ich stelle das Amtsgeheimnis sicher mit keinem Wort in Frage, doch man darf nicht vergessen: Das Amtsgeheimnis trägt auch dazu bei, dass unredliche, kriminelle Handlungen innerhalb des Staatsbetriebs leider wie unter einer Glasglocke gegen außen geschützt werden und diese nie an die Öffentlichkeit gelangen und auch deshalb nie geahndet werden. Also in meinen Augen muss der Schutz des Whistleblowers in der Schweiz rechtlich dringend stark verbessert werden. Werni: Dein Krimi «Schlimmer Verdacht» basiert ja auf einer wahren Geschichte, die du irgendwo aus einer Not heraus geschrieben hast. Kannst du uns mal zusammenfassend erklären, was der Inhalt von dieser Geschichte ist? Peter Mathys: Ja, von meinem Dienstkollegen Thomas Merz, der in der verdeckten Puma-Fahndung tätig war, erfuhr ich, dass im Zuge von Ermittlungen gegen strafrechtlich relevante Pädophilie, eine hohe Persönlichkeit, ein Gerichtspräsident, ins Fadenkreuz geraten ist. Gegen diesen Richter wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Er ist observiert worden über einen längeren Zeitraum hinweg und man gelangte zu der Erkenntnis, dass dieser Richter mutmaßlich über das Wochenende mit dem Schnellzug von Zürich nach Paris fährt und dort in einem zwielichtigen Milieu sexuellen Kontakt mit Knaben hat. So trat man mit der französischen Polizei in Paris in Kontakt und verblieb so, dass die französischen Fahnder den Richter im Bahnhof abpassen, ihn observieren, überwachen, und falls er sich in eine strafrechtlich relevante Situation begibt, der Zugriff erfolgt, also er festgenommen wird. Alles war aufgegleist, die französischen Fahnder standen parat, als dann leider die Zürcher Staatsanwaltschaft von diesem Fall Wind bekam und das ganze Verfahren sofort abbrach, gestoppt hatte. So etwa nach dem Motto: «Finger weg von diesem Gerichtspräsidenten!» Von diesem Abbruch erfuhr ich ebenfalls vom Fahnder Merz. Ganz schlimm dabei sei gewesen, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der Sittenpolizei, der Feldweibel Ruedi Urben, total im Stich gelassen werde. Ja, nicht nur das. Er werde ganz schlimm, auf die übelste Weise gemobbt. Dieser arme Kerl laufe körperlich und geistig, seelisch total am Anschlag. Diesen letzten Satz habe ich nie vergessen. Werni: Diesen letzten Satz, hast du gesagt, wirst du nie vergessen. Also man spürt so richtig deine Emotionen, die so richtig hochgepuscht werden durch diese Information, die du da bekommen hast. Wie bist du mit diesen Emotionen umgegangen? Oder, eine andere Frage, was hast du da unternommen, was hat in dir gewirkt – du bist ja jetzt irgendwo mit ins Spiel gekommen? Peter Mathys: Weißt du, vom Arbeitgeber besteht ja im Prinzip eine Fürsorgepflicht und ich konnte das nicht verstehen, wieso dass man da untätig ist, wenn überall herumerzählt wird: «Da wird einer gemobbt. Da ist ein Kollege, der seelisch am Anschlag läuft.» Das habe ich einfach nicht begriffen, und da war ich ja nicht der Einzige, der davon erfuhr. Ich habe mir gedacht: «Da muss was geschehen. Da muss man was machen.» Und ich als Bauchmensch! Leben ist Tun, und so habe ich einen Brief an den Polizeivorstand und Zürcher Stadtrat Robert Neukomm geschrieben. Ebenso einen Brief hat der stellvertretende Polizeikommandant, der Polizeioffizier Philipp Hotzenköcherle, von mir erhalten mit der Bitte zu handeln. Leider ist nichts geschehen. Keine Reaktion, nichts. Nicht mal eine Antwort erhielt ich. Man hat die ganze Sache einfach schleifen lassen, und was ist das Ergebnis gewesen? Der Sittenpolizist Ruedi Urben hat einen ganz schlimmen psychischen Zusammenbruch erlitten und musste monatelang in eine Klinik eingewiesen werden. Für mich eine menschliche Tragödie, die hätte eigentlich vermieden werden können. Werni: Und was hast du unternommen gegen dieses Verhalten - schwierige Verhalten? Peter Mathys: Es ist schwierig, doch es ging noch weiter. Im Herbst 1995 bin ich der neu in die Stadtpolizei Zürich eintretenden Polizeioffizierin und Chefin der Sittenpolizei Silvia Steiner begegnet. Ich sprach sie an, und zusammen führten wir ein Gespräch in einem Büro. Meine erste Frage lautete: «Sie, Frau Steiner, bei uns in der Polizei erzählt man herum, dass es sogar Pädophile unter den höchsten Richtern habe.» Frau Steiners recht auch für mich überraschend spontane Antwort lautete: «Ja, ich weiß, der Präsident vom Zürcher Kassationsgericht. Als ehemalige Bezirksanwältin 1988 bis 1995 habe ich ja auch mit dem Bezirksanwalt Meier zusammengearbeitet, der das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen diesen Gerichtspräsidenten geführt hat.» Werni: Moment mal, Peter, Silvia Steiner? Silvia Steiner - ist das die Silvia Steiner, die ehemalige Schweizer Staatsanwältin, die jetzt für die CVP Karriere macht? Die in der Politik und im Zürcher Regierungsrat sitzt, im Bildungswesen? Diese Frau wusste genau von diesem Fall? Peter Mathys: Ja, absolut ja. Ich habe Frau Steiner dann auch um Hilfe gebeten in dieser Sache. Doch sie hat nichts getan, hat nie wieder etwas von sich hören lassen. Ein halbes Jahr später, anlässlich einer Fachtagung, bin ich ihr wieder persönlich begegnet, habe sie erneut auf den Fall angesprochen, sie um Hilfe gebeten: «Sie, helfen sie mir, da ist eine riesige Vertuschung passiert!» Doch Frau Steiner ließ mich kühl, desinteressiert abblitzen - leider. So ist es. Werni: Also, Peter, und wie ging die Geschichte dann weiter? Peter Mathys: Eigentlich war ich mit meinem Latein am Ende. Ich wusste nicht mehr weiter. Es wäre von meiner Seite auch nicht mehr weiter gegangen, hätte mir da nicht mein Strafrechtslehrer aus der Polizeischule, ein Jurist, der Jean Daniel Zwahlen, den wertvollen Tipp gegeben: «Schreiben Sie einen eingeschriebenen Brief an den Gesamtstadtrat der Stadt Zürich. Dort werden alle Eingangsschreiben protokolliert und registriert.» So kann es nicht mehr passieren, wie das innerhalb der Stadtpolizei Zürich geschehen ist, dass man meine Briefe einfach verschwinden lässt. Gesagt, getan. Es gab dann wirklich zum ersten Mal eine Reaktion. Zum ersten Mal kam Bewegung in die Sache. Es dauerte keine zwei Wochen, da hieß es schon: «Polizist Mathys, sofort zum Polizeikommandanten Heinz Steffen, in sein Büro vorzutraben!» Der Polizeikommandant hat mich dann in Anwesenheit des Chef Rechtsdienstes, Hauptmann Basil Müller, mit einem gewaltigen «Anschiss» empfangen. Wie sehr er enttäuscht von mir sei und mein Verhalten als Polizist überhaupt nicht verstehen könne. Dann aber teilte mir der Polizeikommandant mit, dass der Gesamtstadtrat, das Kommando der Stadtpolizei Zürich, den Auftrag erteilt hat, in diesem Fall eine Untersuchung durchzuführen. Werni: Da kommt also so ein kleiner Polizist daher und will ihr sauberes Nest verschmutzen... Spaß beiseite – Aber bist du wenigstens irgendwo zum Ziel gekommen? Peter Mathys: Ja und nein. Weißt du, ein Polizeikorps, das in eigener Sache gegen sich selber ermittelt, das ist ein absolutes No-Go! Darüber hinaus waren ja nebst der Polizei noch die Bezirksanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft involviert. Eine korrekte, seriöse Untersuchung beinhaltet, dass man alle Verfahrensinvolvierten miteinbeziehen muss. Zwei Möglichkeiten hätte es da gegeben: Eine PUK, eine Parlamentarische Untersuchungskommission, oder, dass die Untersuchung von einem außerordentlichen Staatsanwalt durchgeführt worden ist. „… hat der Stadtrat von Zürich, nachdem ein Polizeibeamter meine Rehabilitierung verlangt hatte, eine eingehende Untersuchung durchgeführt bzw. die neu in das Korps eingetretene Polizeioffizierin, Frau lic. iur. Silvia Steiner, wurde damit beauftragt. Ende November oder anfangs Dezember 1996 erklärte mir der Polizeikommandant Oberst Heinz Steffen, dass die Untersuchung abgeschlossen und dem Polizeivorstand überwiesen worden sei.“ Werni: Wie ist das Resultat von dieser Untersuchung ausgefallen? Peter Mathys: Der Stadtpräsident Josef Estermann hat mich mit einem Brief vom Resultat dieser Untersuchung in Kenntnis gesetzt. „Der Vorsteher des Polizeidepartements hat das Kommando der Stadtpolizei mit einer internen Untersuchung beauftragt. … dass die von Ihnen ausführlich wiedergegebenen Informationen lediglich die Qualität von Gerüchten haben und bis heute keinen Beweis-Charakter aufweisen bzw. nicht verifiziert sind. Da auch nach sorgfältiger Prüfung aller Unterlagen und Fakten keine rechtsgenügenden Anhaltspunkte für eine allfällige Begünstigung oder ein unkorrektes Ermittlungsverfahren zu finden sind.“ Werni: Also auch der damalige Stadtpräsident Josef Estermann bläst ins gleiche Horn. Also auch er nimmt dich nicht so ernst? Peter Mathys: Ja, es ist schon verrückt eigentlich, eine Tatsache, das Ganze, als nicht verifizierbar zu bezeichnen. Alles sei rechtsstaatlich korrekt abgelaufen. Als ich diese von einem Stadtpräsidenten niedergeschriebene Unwahrheit las, da zog es mir fast den Boden von den Füßen weg. Weißt du, Werni, nach Herausgabe meines Krimis begann der Journalist Res Strehle vom Tages-Anzeiger, einer der größten Zeitungen in der Schweiz, in diesem Fall zu recherchieren. Und er hat die getätigten Ermittlungen in Sachen Pädophilie gegen diesen Gerichtspräsidenten bestätigt. Ja, man hätte eigentlich nur die Puma-Fahndung anfragen können und hätte dabei erfahren, dass sogar der Chef der Puma-Fahndung, der Adjutant Bruno Müggler, ein Foto vom Gerichtspräsidenten geschossen hat. Dieses Foto wurde anschließend in der ganzen Puma-Gruppe herumgereicht, und von da an wurde nur noch herumerzählt vom Richter, der über das Wochenende mit dem Zug nach Paris fährt um dort «Büebli zu ficken»! So der Wortlaut. Des Weiteren, niemand von der Sittenpolizei, von den Detektiven, von der verdeckten Fahndung, also von Leuten mit wertvollem Insiderwissen zu diesem Fall, wurde kontaktiert und angefragt. Ja, diese wussten ja nicht einmal, dass es eine Untersuchung gegeben hat. Selbst der stellvertretende Fachgruppenchef der Sittenpolizei Josef Scheuber, hatte keine Kenntnis von einer solchen Untersuchung, wie er mir kurz vor seiner Pensionierung geschildert hat. Es wurde kein rechtliches Gehör gewährt. Zwischen der Polizeioffizierin Silvia Steiner und dem Sittenpolizisten Ruedi Urben fand nur ein ganz kurzes, oberflächliches Treffen statt, in dem sie ihm die Frage gestellt hat, ob er noch irgendwelche verfänglichen Akten bei sich privat zuhause aufbewahren tue. Viel mehr war da nicht. Dabei hätte der Ruedi Urben so viel zu erzählen gewusst. Weißt du, der Ruedi Urben war ja als involvierter Sachbearbeiter vor Ort, auch als Zeuge, als die Zürcher Staatsanwalt diese Ermittlungen gestoppt hat. Der Ruedi Urben hat diesen Vorgang mit folgenden Sätzen, wie folgt, schriftlich festgehalten. „Am Tag der Parisreise hat sich der zuständige Untersuchungsrichter zum Mittagessen mit einem Oberstaatsanwalt getroffen. Dies um sich von diesem explizit bestätigen zu lassen, dass es sich bei der abgelichteten Person (Foto vom Gerichtspräsidenten) tatsächlich um die hier zur Frage stehende Person handelte. Nach eingehender Betrachtung der vorgelegten Fotografie habe der Oberstaatsanwalt erklärt, dass er diese Person nicht erkenne: Dies obwohl er beinahe täglich mit diesem in Kontakt gestanden haben soll. Wie mit genanntem Untersuchungsrichter, begab sich Schreibender (Fw Ruedi Urben) zur Lagebesprechung in seinen Amtsraum. Kurz nach 14:00 Uhr klingelte das Telefon. Der Untersuchungsrichter nahm den Hörer ab und begrüßte den Anrufer mit: „Herrn Oberstaatsanwalt (…)“. Mit bemerkenswertem militärischen Ton, so dass ich seine Worte hören konnte, schrie er in die Muschel seines Telefonhörers: „Natürlich handelt es sich um die zur Frage stehende Person. Was fällt ihnen eigentlich ein?“ In dem Moment erhob ich meine Hand, um dem Untersuchungsrichter anzudeuten, dass ich jetzt das Büro besser verlassen würde. Das (telefonische) Gegenüber des Untersuchungsrichters fragte: „Ist noch jemand bei Ihnen im Büro?“ Der Untersuchungsrichter: „Ja, der polizeiliche Sachbearbeiter!“ Gut so, der Oberstaatsanwalt: “Der soll nur bleiben!“ Nun ging es im selben Ton und Stil weiter. Unter anderem erklärte der Herr Oberstaatsanwalt in etwa folgendem Wortlaut: „Sollte sich jemand noch einmal getrauen, nur den kleinen Finger gegen diese Persönlichkeit anzuheben, kann er das Köfferchen packen und gehen!“ Somit war klargestellt, dass dieser in wenigen Stunden beginnende Einsatz mit einer Spezialeinheit – und das laufende Ermittlungsverfahren unverzüglich beendet werden musste. Letztendlich musste ja der Fall abgebrochen werden, so dass zu diesem Zeitpunkt keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden konnten. Fazit: „Er ist also sauber!“ „ Werni: Also, eine derart wichtige Aussage, wie es zum Verfahrensabbruch kam, das müsste doch irgendwo in einem Untersuchungsbericht zu lesen sein. Peter Mathys: Ja, richtig, Werni. Das ist absolut erforderlich, doch es kommt noch dicker. Meinen Bericht habe ich auch noch an das Zürcher Bezirksgericht gesandt. Dieses leitete, vielleicht wie eine heiße Kartoffel, meinen Bericht an das Zürcher Obergericht weiter. Werni: Und dann gab es von diesem Zürcher Obergericht auch eine Reaktion? Peter Mathys: Ja, die gab es tatsächlich. Der Obergerichtspräsident hat seinem untergebenen juristischen Sekretär die Erlaubnis erteilt, mir auf meinen Bericht eine Stellungnahme zu schreiben. Diese habe ich dann auch erhalten, worin sinngemäß steht, dass über dieses Verfahren – nicht einmal über eine Person, die diesem Richter zugeordnet werden hätte können – dass darüber gar nichts gefunden worden ist. Keine Akten, einfach nichts! Werni: Interessant. Also keine Akte, wird doch für jeden «Hühnerscheiß» ein ellenlanger Rapport geschrieben. Peter Mathys: Ja, es ist verrückt. Für mich ist das eine rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeit. Man stelle sich vor, ein Strafermittlungsverfahren auf Stufe Polizei/ Bezirksanwalt, das von der Zürcher Staatsanwaltschaft auf eine fragwürdige Art und Weise gestoppt worden ist. Keine Akten darüber! Schade, dass das Zürcher Obergericht hier keinen Handlungsbedarf erkannt hat. Werni: Als Opfer in der ganzen Geschichte muss man wohl auch Sittenpolizist Ruedi Urben nennen, der hat doch schon einiges durchmachen müssen, oder? Peter Mathys: Ja, so ist es. Ein hervorragender Ermittler in Sachen Kinderschutz, der gegen hundert komplexe Fälle, vielfach mit Erfolg, ermittelt hat. Er musste vier Jahre lang, quasi gegen den eigenen Arbeitgeber, in eigner Sache für seine Rehabilitation kämpfen – dies mit Hilfe von Anwälten vom gewerkschaftlich organisierten Polizeibeamtenverband im Rücken – bis die da oben das erlittene Mobbing anerkannt und bestätigt haben und er eine Entschädigungszahlung wegen erlittenem Mobbing über 11'000 Franken ausbezahlt erhielt. Eine ganz schlimme Erfahrung musste ich machen im Jahre 2000. Da hatte ich ein Telefongespräch mit dem Polizeioffizier Hanspeter Fäh geführt. Darin sprach ich ihn auch auf den Gerichtspräsidentenfall an. Seine Reaktion? Ich wurde von ihm ausgelacht: «Ach, da ist ja gar nichts dran. Ach Gott, das stimmt ja alles nicht.» Als ich dann noch auf den Ruedi Urben zu sprechen kam, seine Mobbingauszahlung erwähnte, da lachte auch er mich aus: «Ach, das hat nichts mit Mobbing zu tun. Ach, das stimmt ja alles nicht!» Es ist verrückt! So habe ich mich erneut mit einem Bericht an den Gesamtstadtrat von Zürich gewandt mit der Bitte, dass inskünftig bei solchen Fällen man sich rechtsstaatlich professioneller und korrekter verhalten soll. „…hat der nach sorgfältiger Prüfung aller damals vorliegenden Akten und Fakten keine rechtsgenügende Anhaltspunkte für die von Ihnen angesprochene allfällige Begünstigung oder ein unkorrektes Ermittlungsverfahren gefunden.“ Werni: Also jetzt würde ich mich grad wundern, wenn da etwas Zählbares rausgekommen wäre. Peter Mathys: Nein, überhaupt nicht. Man verschanzte sich immer hinter rudimentären Floskeln. Alles sei rechtstaatlich korrekt abgelaufen, Punkt, Schluss! Mehr war da nicht. Werni: Also, du hast jetzt alle Instanzen abgeklappert, da gibt es nichts mehr rauszuholen? Peter Mathys: Nein, ich war sogar bei der GPK des Gemeinderates der Stadt Zürich vorstellig mit einem dicken, souveränen, gut dokumentierten Bericht über diesen Fall. Die GPK ist ja für die Kontrolle der Zürcher Stadtregierung und ihre Verwaltung zuständig. Sie besteht aus aktiv gewählten Gemeinderätinnen und Gemeinderäten aus dem ganzen politischen Spektrum von links und rechts. Und hier habe ich auch eine Eingabe gemacht. Große Hoffnungen habe ich da gehabt. Weil, im Prinzip wäre ja das eine richtig außenstehende, man sagt neutral-objektive Stelle, die eben die Amtsführung von der Stadt Zürich zu kontrollieren hat. Und jedermann, ob ein Privater oder ich als städtischer Angestellter, wenn ich einen Missstand in der Stadtverwaltung feststelle, kann ich mich mit einem Anliegen an die GPK wenden und diese überprüft dann mein Anliegen seriös und fällt dann eine Entscheidung. Ihre Angelegenheit betreffend Mobbing in der Stadtpolizei Zürich. Es wurde entschieden nicht auf den Fall einzugehen. Werni: Und da haben sie jetzt doch mehr oder weniger die Tatsachen ganz elegant umschifft. Peter Mathys: Vordergründig geht’s ja primär um mutmaßlichen Amtsmissbrauch, schwerste Verstöße gegen rechtsstaatlichen Treu und Glauben, Verschleiern von tatsächlichen Vorkommnissen durch eine unkorrekte Untersuchung, Berufspflichtverletzungen noch und noch. Und an Geringfügigkeit kann es ja nicht gemangelt haben. Hier habe ich leider feststellen müssen, dass die GPK als Kontrollinstrument, zumindest was diesen Fall anbelangt, ein völlig unbrauchbares, untaugliches Instrument sich erwiesen hat. Werni: Und dein Fazit jetzt in dieser ganzen leidigen Geschichte? Peter Mathys: Ärgerlich ist sicher, dass die in dieser Sache schuldhaften Verantwortlichen nie zur Rechenschaft gezogen worden sind. Ganz im Gegenteil. Nur um drei Namen zu nennen: Der Polizeioffizier Philipp Hotzenköcherle wurde zum Kommandanten ernannt. Der Chef Rechtsdienst, Hauptmann Basil Müller, wurde zum Chef des Stadtzürcher Stadtrichteramtes befördert. Die Polizeioffizierin Silvia Steiner wurde zur Kripochefin befördert. Heute ist sie als CVP Regierungsrätin im Kanton Zürich, die Bildungsdirektion unter sich habend, aktiv tätig. Irgendwie geht das nicht auf. Ich verstehe die CVP, die Christlich-Soziale-Demokratische Partei nicht, dass sie eine solche Person mit einer solchen dunklen Vergangenheit unangetastet in ihren Reihen hält. Ich muss nochmal betonen, in Sachen Pädophilie muss es eine Nulltoleranz geben. Das gilt auch für Amtsträger, die sich so verhalten, wie der Fall dies beschrieben hat. Werni: Also, mein Vertrauen zu unseren Staatsbetrieben wurde durch diese Geschichte nicht wirklich gestärkt. Peter Mathys: Aber ich habe mich irgendwie immer daran geklammert. Weißt du, du arbeitest als Polizist nicht wie die da oben, sondern ich bin für die Bevölkerung zuständig und die Bevölkerung kann ja jetzt nun wirklich nichts dafür, dass im Staatsbetrieb solche Ungerechtigkeiten passieren. Und wenn ein Bürger zu mir kommt, dann ist klar, dass ich mich als Polizist nach bestem Wissen und Gewissen ihm annehmen tue. Dieser Grundsatz hat mich gerettet, sonst wäre ich am verzweifeln gewesen. Und auch an dieser Stelle möchte ich mich natürlich auch noch ganz herzlich bei all den Polizisten, Detektiven, Sittenpolizisten, verdeckten Fahndern, bedanken, die gegen den Strom dieser Polizeiführung geschwommen sind und mich mit vielen faktenreichen Daten, Erzählungen, derart gut in Kenntnis gesetzt haben, sodass es mir überhaupt möglich war meinen Krimi «Schlimmer Verdacht» zu schreiben. Werni: Peter, herzlichen Dank für dieses Interview. Du warst sehr offen, hast da ganz offen eben berichtet und das war - sehr, sehr informativ. Sehr, sehr aufschlussreich auch. Wir wünschen dir viele erholsame Stunden auf dem Rücken deines Islandponys Hekla. Herzlichen Dank, komm' gut nach Hause! Und Sie sehen wir morgen um 19:45 Uhr wieder bei Kla.TV.
von dd.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article157527536/Warum-der-Fall-Dutroux-Belgien-nicht-loslaesst.html
https://www.welt.de/vermischtes/gallery143879577/Eine-Chronik-der-verschwundenen-Kinder.html
https://www.epochtimes.de/politik/welt/ex-justizminister-von-belgien-fall-dutroux-bis-heute-nicht-aufgeklaert-ich-wurde-immer-wieder-gestoppt-a1349145.html
https://www.epochtimes.de/politik/europa/belgisches-paedophilen-opfer-packt-aus-ich-traf-politiker-vips-und-staatsoberhaeupter-a2032991.html
https://www.youtube.com/watch?v=hWIkneS9vQQ
https://www.migrosmagazin.ch/ein-polizist-recherchiert
https://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/staatsanwalt-gegen-staatsanwalt/story/20223673