Interview mit einem russischen Duma-Abgeordneten anlässlich des Mordes an Boris Nemzov

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03.03.2015 | www.kla.tv/5464

Guten Abend, sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer. In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar wurde Boris Nemzow in Moskau auf offener Straße ganz in der Nähe des Kreml erschossen. Von den Medien wird Nemzow als bekanntester Oppositionspolitiker gegen Putin und dessen Politik bezeichnet. Ferner berichten die Medien von einer regelrechten Hatz auf Oppositionelle und anders Denkende, die vor allem in den vergangenen Wochen massiv zugenommen haben soll. So sei auf Großplakaten in Moskau neben anderen auch Boris Nemzow als Teil einer 5.Kolonne angeprangert worden. Hierbei soll es sich um Vaterlandsverräter handeln. Über die Existenz einer solchen fünften Kolonne wurde bisher nicht berichtet. Neu ist auch der Vorwurf gegen den Oppositionspolitiker Nemzow, Mitglied einer solchen Gruppe zu sein. Wir von Kla.TV haben in einem Telefoninterview eine Einschätzung erbeten von Herrn Evgeni Alekseewitch Fedorov aus Moskau. Herr Fedorov ist Abgeordneter der Duma, Vorsitzender des Wirtschaftsrates der Russ. Föderation, sowie Gründer der nationalen Befreiungsbewegung. In diesem Interview ist auch die Rede von einer Demo vom 1. März. Diese war ursprünglich als Demo der Opposition in Russland geplant. Durch den Mord an Boris Nemzov war diese Demo aber auch ein Trauermarsch. Im Anschluss senden wir nun dieses Direktinterview. Moderator: Einen guten Abend sehr geehrter Herr Fedorov. Fed.: Guten Abend! Moderator: Ich hoffe, wir haben eine gute Telefonverbindung. Fed.: Guten Abend, ja ich höre sie gut. Frage 1: Moderator: Im Zusammenhang mit dem Mord an Boris Nemzow hörte man in westlichen Medien den Begriff 5. Kolonne. Es sei ein Begriff, um Oppositionelle oder Andersdenkende als Vaterlandsverräter anzuprangern. Sie nun hingegen hatten schon 2014 in einem Interview mit Kla.TV die „5. Kolonne“ als System der Beherrschung Russlands durch die USA beschrieben. Dabei haben Sie vor allem politische, militärische und „Straßen“-Bestandteile dieser Fremdherrschaft unterschieden. Was sagen Sie zur Darstellung der 5. Kolonne durch die westlichen Medien? Fedorov.: Ja, es gibt verschiedene westliche Medien und einige von ihnen bekommen von mir ein Interview und sie definieren diesen Begriff richtig, so wie dieser ursprünglich aus Spanien kommt, aus der Zeit des spanischen Bürgerkriegs. Von dem sich die russische Definition nicht unterscheidet. Die Fünfte Kolonne: das sind Menschen und Organisationen, die in Verbindung mit einer ausländischen Verwaltung stehen und für ausländische Länder arbeiten. Es sind wie ausländische Soldaten, einer ausländischen Armee die auf dem russischen Territorium agieren. Das entspricht vollkommen dem spanischen Begriff „Fünfte Kolonne“, wie er aus Spanien stammt. Dieser Begriff muss prinzipiell von den Oppositionellen getrennt werden. Denn die Oppositionellen sind Bürger oder Organisationen, die gegen die eigene Regierung sind und ein anderes Programm für die Weiterentwicklung des Landes vorschlagen. Das ist nicht die Fünfte Kolonne. Sondern, das sind Bürger, die selbst gegen die Fünfte Kolonne sind. Weil die Fünfte Kolonne auch sie ihres Vaterlandes berauben will. Und sie dann nichts verändern können, ob als Oppositionelle oder als Regierung. Man muss die Fünfte Kolonne auch von den Liberalen unterscheiden. Die Liberalen haben einen Blick für die Ereignisse in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Aber auch die Liberalen können zu der Fünften Kolonne gehören, d.h. ausländische Agenten, sowohl in der Regierung als auch in der Opposition. Diese Begrifflichkeiten müssen differenziert und deutlich unterschieden werden. Moderator: Eine klare Aussage, vielen Dank! D.h., man darf nicht die Opposition, die Andersdenkenden und Staatsfeinde in einen Topf werfen, sondern es muss klar unterschieden werden. Fed.: Ja natürlich, das ist offensichtlich. Wir gehen von der geschichtlichen Definition und Sprache aus. Die Fünfte Kolonne, das sind Feinde. Das sind Vertreter eines anderen Staates auf fremdem Staatsterritorium oder Gesellschaft. Die Opposition ist jedoch ein anderer Typ von Menschen. Sie sind gegen die Regierung, haben Verbesserungsvorschläge und wollen die Führung übernehmen. Die Oppositionellen sind auch Patrioten und kämpfen für eine bessere Zukunft in ihrem Land. Bei allen Demos, die wir haben, werden die Slogans laut: „Die Opposition ist gegen die Fünfte Kolonne. Das sind übelste Feinde. Übelste Feinde der Opposition und der regierenden Partei des entsprechenden Landes.“ Mod.: Danke! Frage 2: Moderator: Wie umfassend wird Russland schon von dieser 5 Kolonne beherrscht? Fedorov: Wenn wir den heutigen Status des Landes anschauen, der durch die Verfassung definiert ist. Kürzlich hat man in den höheren Rängen des Ordnungssystems darüber geredet. Der Chef der Untersuchungskommission Russlands hat darüber geredet, dass Russland im Einklang mit der Verfassung alle Entscheidungen befolgt, die von außen für das Land getroffen werden. Auch mit dem Ziel, neue Gesetzentwürfe im selben Stil zu kreieren. Das heißt, es werden die Gesetze verabschiedet, über die im Ausland entscheiden worden ist. Die Kommunikation in diesem Umfeld führt die 5. Kolonne aus. Das ist aber schon länger so, mindestens seit 1991- nach dem Zerfall der Sowjetunion. Für die Europäer wird es verständlicher sein, wenn man sagt: das gleiche ist auch in Deutschland passiert nach der Übernahme durch die Alliierten im Jahr 1945. Es ist klar, dass im damaligen Westdeutschland, so auch bis heute, die ganze strategische Macht in den Händen der US-Führung lag. Entsprechend war die DDR seiner Zeit durch die Sowjetunion geführt. Das meint: alle Gesetze nach denen Westdeutschland funktionierte, waren von den USA erarbeitet und kontrolliert, genauso auf der Ostseite von der Sowjetunion. Hier gibt es zum heutigen Russland keinen historischen Unterschied. In der jüngsten Zeit aber, nach dem die Sanktionen gegen Russland gegriffen haben, ist die Frage nach der 5. Kolonne nicht eine Frage der schlechten Staatsführung oder schlechten Lebensqualität, sondern eine Frage der Existenz. Vor Russland steht die Aufgabe der Entfernung der 5. Kolonne aus der Regierung und der Veränderung aller regierenden Institute in Richtung Souveränität, um überhaupt überleben zu können. Genau über diese Dinge reden wir im Moment und das ist auch die Hauptaufgabe der Nationalen-Befreiungs-Bewegung in Russland. Moderator: Vielen Dank. Frage 3: Moderator: Spielte Boris Nemzow tatsächlich eine Rolle in dieser fünften Kolonne? Oder ist das eine Verleumdung? Fedorov: Nein, Boris Nemzow, wenn wir in den genauen Begrifflichkeiten bleiben wollen, hatte Kommunikationskanäle in die USA. Das geht aus offiziellen Dokumenten aus den USA hervor. Auch im Rahmen gesetzesschöpferischer Tätigkeiten ist diese Kommunikation nachweisbar. Um beim genauen Begriff zu bleiben: Ja, man kann sagen das Nemzow ein Teil der 5. Kolonne war oder zumindest im sehr nahen Umfeld der Kolonne war. Es existieren Vorwürfe, dass Nemzow ein Bindeglied in der US-Finanzierungskette der 5. Kolonne in Russland war. Zum Beispiel gibt es Telefonmitschnitte, aus denen klar wird, dass durch Nemzow die Finanzierung der Antiregierungsproteste in der Stadt Chimki und anderen Städten gelaufen ist. Aus dieser Perspektive kann man schon sagen, dass er Mitglied der 5. Kolonne war. Dabei war er nicht immer in der Opposition. Erst später ist er zum Oppositionellen geworden. Es gab Zeiten, in denen Nemzow ganz auf der Seite Putins war. Vor ca. 15 Jahren, als Putin die Wahlen gewonnen hatte, unterstützte Nemzow ihn öffentlich. Danach hat er seinen Standpunkt geändert. Nicht, weil er in die Opposition wechselte, nein, weil er in die Kommunikationslinien mit den USA hineinkam. Moderator: Vielen Dank. Ja, die Situation wird etwas klarer. Frage 4: Moderator: Ihrer Meinung nach hat die 5. Kolonne einen „Maidan“ nach dem Muster der Ukraine für Russland für das Frühjahr oder den Herbst dieses Jahres geplant. Erklärtes Ziel dessen sei es, Putin zu stürzen. Können sie uns das näher erläutern? Fedorov: Ja, das ist die Wahrheit. Die Aufgabe, Putin zu stürzen, steht nach wie vor auf der politischen Tagesordnung der USA. Auf der Ebene der Staatsorgane in den USA und Europa wird diese Frage offen diskutiert. Aggressive Sanktionen gegen Russland sind beschlossene Sache. Das Ziel der Sanktionen -nach den Worten von Englands Premier Minister- ist die Zerstörung der russischen Wirtschaft. Klar ist: wird die russische Wirtschaft zerstört, wird auch Russland vernichtet. Die Aufgabe lautet: Die Liquidierung des Konkurrenten namens Russland, mittels Sanktionen. Der Liquidierungsmechanismus ist durch nukleare Waffen heute anders. Hätte Russland keine nuklearen Waffen, so verliefe der Mechanismus der Liquidierung ebenso wie bei zahlreichen vorherigen Aggressionen gegen Russland. Ich denke zum Beispiel an das Hitlerdeutschland, Frankreich in der Zeit Napoleons und viele andere Fälle - gewöhnliche Kriege im Rahmen der nationalen Konkurrenz. Aber, weil es nukleare Waffen gibt, haben sich diese Formen geändert. Diese Formen der orangenen Intervention, das heißt die Methoden, legitime Regierungen zu stürzen, gestützt auf seine „Schützlinge“ und die 5. Kolonne. Im Weiteren organisiert die 5. Kolonne und die eigenen „Schützlinge“ zuerst die Änderung des Kurses und danach die Liquidierung des Staates. Mit den nuklearen Waffen hat sich diese Technologie geändert. Aber unter den Bedingungen der nicht kriegerischen Invasion, der Intervention mit orangenen Technologien, sind auch die Methoden der Verteidigung anders. Es muss andere Verteidigungsmethoden geben, die den Einfluss der 5. Kolonne im Land reduziert. Das hat man früher Säuberung genannt. So muss es auch eine Zurüstung der öffentlichen Meinung geben, die auf den Widerstand der Straßenintervention gegenüber gerichtet ist. Frage 5: Moderator: Spielt die Ermordung Nemzows eine Rolle in der Vorbereitung eines solchen russischen Maidans? Fedorov: Aus unserer Sicht ist es eine sauber organisierte Tat, die durch den CIA selber oder unter Anleitung des CIA erfolgt ist. Morde dieser Art sind schon tausendfach passiert und sehr wahrscheinlich haben auch Spezialisten aus der Ukraine mitgewirkt. Das Ziel ist sehr wahrscheinlich die Aufwiegelung der Emotionen als Straßenkomponente des Maidan. Die Menschen sollen sich im Anblick dieses sakralen Opfers endlich erheben. Das ist eine Technologie, die schon oft eingesetzt wurde, in der Ukraine und anderen Ländern im Rahmen der orangen Interventionen. Wir erinnern uns alle an die Ermordung einer jungen Frau im Iran vor dem Versuch des Umsturzes durch die USA. Im Prinzip ist es eine sehr bekannte und gut beschriebene Technologie. In diesem Fall hat man Nemzow gewählt. Er ist im Westen bestens bekannt, er ist genügend schillernd, er ist ein Politiker mit klarer Position, aber er ist auch einer, den man im Prozess des Maidanumsturzes entbehren kann. Moderator: Gut Frage 6: Was ist ihre Meinung zu der Demo am 1. März? Warum ist eine Eskalation nicht gelungen? Fedorov: Erstens Russland ist ein sehr alter Staat und die 1500 Jahre der Geschichte schlagen sich auch in einer gewissen Erfahrung nieder. Dann haben wir eine sehr negative Erinnerung an den Maidan 1991-1993 der schon mal siegreich über das Land ging. Mit ähnlichen Methoden ist auch die Sowjetunion gestürzt worden und Russland veränderte sich damals sehr. Dazu kamen die Erfahrungen mit der Ukraine, die das Gehirn recht gründlich gereinigt hatten. Die meisten Menschen hier in Moskau verstehen die Dinge gut und haben sich durch den Mord an Nemzow nicht provozieren lassen. Moderator: Herr Fedorov, wir danken Ihnen herzlich für ihre klare Einschätzung. Die Menschen in Europa hoffen, dass die russische Regierung einen Weg findet, sich von dieser Unterwanderung nicht provozieren zu lassen und wünschen Ihnen einen guten Abend nach Moskau. Moderator: Vielen Dank. Fedorov: Vielen Dank. Gleichzeitig verabschieden auch wir uns aus dem Studio von unseren Zuschauern und freuen uns, Sie auch morgen Abend wieder auf Kla-TV begrüßen zu können.

von jm./b.

Quellen/Links: SRF1, 8:00-Nachrichten, 28.2.2015 www.kla.tv/4929