Sehen Sie dazu folgende Sendungen: Wie funktionieren moderne Kriege? (Version 2015) https://www.kla.tv/3359 Deutschland im Krieg gegen Russland (von Ivo Sasek) https://www.kla.tv/21969 |
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15.04.2022 | www.kla.tv/22267
Anfang März 2022 beleuchtet der Schweizer Experte für internationale Konfliktlösungen, Jacques Baud, in einem Interview die historischen, politischen, militärischen und wirtschaftlichen Hintergründe des Ukrainekriegs. Als ehemaliger Chef der „Friedenspolitik und Doktrin“ des UNO-Departments für friedenserhaltende Operationen stellte er sich die Frage: Wie ist man zu diesem Punkt gekommen, Krieg zu führen? Mit Stand Anfang März 2022 liefert Baud trotz sich überschlagender Ereignisse eine klare Gegenstimme zur Darstellung der Leitmedien und damit wichtige Aspekte für ein Gesamtbild. Diese Sendung gibt die wesentlichen Aussagen seines Interviews in stark komprimierter Form wieder. Russland will einen Abstand zur NATO Das Kernelement der NATO ist die US-amerikanische Nuklearmacht. So werden in Polen und Rumänien MK-41 Raketensysteme aufgestellt, die zwar als Defensivwaffen deklariert sind, aber auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt sein können. Von diesen Rampen abgefeuerte Raketen sind in wenigen Minuten in Moskau. Wenn in einer Situation der erhöhten Spannung die Russen aufgrund von Satellitenbildern merken, dass es bei den Abschussrampen Aktivitäten gibt und ein Angriff vorbereitet wird, werden sie dann abwarten, bis Atomraketen abgeschossen werden? Allein schon, weil Fehler passieren könnten, braucht es immer eine gewisse Reaktionszeit, d.h. einen möglichst großen Abstand. Was hat Putin veranlasst, jetzt militärisch einzugreifen? Die in der Ost-Ukraine liegenden Bezirke Luhansk und Donezk erklärten 2014 ihre Autonomie. Die Bevölkerung ist überwiegend russisch. Seit 2014 werden sie laut OSZE-Beobachtern trotz Minsker Friedens- und Deeskalationsabkommen immer wieder von der West-Ukraine beschossen, auch mit schwerer Artillerie. Tausende Russen, darunter hunderte Kinder, wurden dabei in den vergangenen acht Jahren brutal dem Leben entrissen. Seit dem 12. Februar 2022 wurde der Beschuss der Städte im Donbas laut OSZE-Bericht extrem intensiviert. Diese Großoffensive des ukrainischen Militärs hat alles ausgelöst. Deswegen musste mit der Evakuierung der Zivilbevölkerung nach Russland begonnen werden. Der russische Außenminister sprach schon kurz darauf von 100.000 Geflüchteten. Im März 2021 hatte der ukrainische Präsident Selenskyj zudem ein Dekret erlassen, auch die Krim gewaltsam an die Ukraine anzugliedern und seine Truppen mobilisiert. In dieser Situation hatte Putin kaum eine andere Wahl als seiner völkerrechtlichen Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung im Donbas, unter ihnen viele Russen, gerecht zu werden. Putin hatte bis vor Kurzem keine Absicht, die Ukraine militärisch anzugreifen In seinem Hintergrundbericht zum Ukrainekrieg verweist Jaques Baud darauf, dass der russische Präsident Putin bis Mitte Februar 2022 keine Absicht hatte, die Ukraine anzugreifen. Was hat binnen weniger Tage zu einer solch radikalen Veränderung von Putins Standpunkt geführt? Zum einen der seit dem 11./12. Februar 2022 dramatisch eskalierte Beschuss der Städte im Donbas durch die ukrainische Armee. Im Vorfeld aber zweifellos ein vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj am 24. März 2021 erlassenes Dekret, das eine Rückeroberung der Krim durch die Ukraine beinhaltete. In diesem Zusammenhang war es in den darauffolgenden Monaten zu einer auffälligen Verschiebung großer Teile der ukrainischen Armee nach Süden und Südosten in Richtung Donbas gekommen. Diese wurde von Russland aufmerksam beobachtet und als unmittelbare Bedrohung für die dortige, überwiegend russischsprachige Bevölkerung angesehen. Hinzu kam die strikte Weigerung der ukrainischen Regierung, auf das zur Deeskalierung mit Russland getroffene Minsker Abkommen in irgendeiner Weise einzugehen. Was in Russland jedoch sämtliche Alarmsirenen schrillen ließ, war die unverblümte Erklärung Selenskyjs bei der letzten Münchner Sicherheitskonferenz, die ukrainischen Streitkräfte mit geeigneten Trägerraketen atomar zu bewaffnen. Diese unmittelbare, offenbar von der US-Regierung angestachelte Bedrohung konnte Putin im Interesse seines Landes nicht hinnehmen. Die zähen Wurzeln des Rechtsextremismus in der Ukraine In der Ukraine gibt es starke paramilitärische Verbände von Rechtsradikalen mit, laut Reuters insgesamt ca. 100.000 Mann. Das bekannte Asow-Regiment besteht aus 19 Nationalitäten, darunter Franzosen, sogar Schweizer etc. Die Wurzeln des ausgeprägten Rechtsextremismus reichen bis in die 1930er Jahre zurück. Das Stalin-Regime hatte zur Modernisierung der UDSSR die Ernten konfisziert und so eine nie dagewesene Hungersnot in der Ukraine provoziert. Millionen Ukrainer starben. Es entstand ein Hass auf Kommunisten, Russen und insbesondere Juden, die in Stalins Modernisierungsprozess hohe Kommandoposten innehatten. Im 2. Weltkrieg betrachteten Ukrainer die deutsche Wehrmacht als Befreier und verbündeten sich mit ihr. Nach dem 2. Weltkrieg unterstützten die USA, Frankreich und Großbritannien ukrainische Rechtsextreme im Kampf gegen die Sowjetunion, die immer noch als Feind angesehen wurde. Heute führt die Schwäche der ukrainischen Armee dazu, dass Kiew auf diese rechtsradikalen Verbände zurückgreift. Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine Putin hatte bei seinem Angriff auf die Ukraine nach Einschätzung Bauds nie die Absicht, der Zivilbevölkerung zu schaden (auch wenn im weiteren Verlauf des Kriegsgeschehens ein anderer Eindruck entstanden ist). Daher habe er auch den Gashahn zur Ukraine nie zuge-dreht. Eine seiner vornehmlichen Bedingungen für eine Einigung mit der Ukraine ist, dass die Sicherheitsinteressen Russlands bedingungslos berücksichtigt werden. Putins Forderungen sind, dass die Ukraine einen neutralen Status einnimmt, weder Mitglied der NATO wird noch nukleare Raketensysteme stationiert. Ebenso sollen die rechtsradikalen Paramilitärs, wie z.B. das Asow-Regiment mit SS-Emblemen, die neben dem ukrainischen Militär unvorstell-bar brutal agieren, ausgeschaltet werden. Aufgrund dessen haben die russischen Streitkräfte bei den Angriffen vornehmlich militärische Ziele attackiert. Am 4.3.2022 hatte die russische Armee ca. doppelt so viele Tote zu beklagen wie die Ukraine an toten Zivilisten. Wie der Westen Kriege führt Während sich der Angriff Russlands Bauds Ansicht nach nicht gegen die ukrainische Bevölkerung richtet und weder Gas- noch Strom- oder Wasserwerke zerstört werden, hat der Westen eine gegenteilige Strategie. Als die Amerikaner im Irak, in Libyen und vielen anderen Ländern angriffen, zerstörten sie zuerst die Strom- und Wasserversorgung und die gesamte Infrastruktur und bombardierten die Bevölkerung. Warum geht der Westen so vor? Die Strategen gehen davon aus, wenn man die Infrastruktur zerstört, wird es in der Bevölkerung einen Aufstand gegen die Regierung oder den Diktator geben, den man so los wird. Das war auch die Strategie während des Zweiten Weltkriegs, als man deutsche Städte wie Köln, Berlin, Hamburg oder Dresden bombardierte. Man zielte direkt auf die Zivilbevölkerung, damit es zu einem Aufstand kommt. Die Theorie des Militärs lautet: Die angegriffene Regierung verliert durch einen Aufstand ihre Macht. Dann hat der Angreifer den Krieg gewonnen, ohne eigene Truppen zu gefährden. Das Elend der Bevölkerung spielt für diese Strategen keine Rolle. In einem Nuklear-Krieg wäre Europa das Schlachtfeld! Amerikanische Geostrategen haben mehrfach klar geäußert, dass die US-Politik seit über 100 Jahren den Fokus darauf setzt, eine engere Verbindung zwischen den beiden größten europäischen Mächten, dem finanzstarken und mit Erfindergeist ausgestatteten Deutschland und dem rohstoffreichen Russland, zu verhindern, um wirtschaftlich und politisch selber die Nase vorne zu behalten. Nicht ohne Grund wurde deshalb der deutschen Nachkriegs-generation von den westlichen Besatzern eine historische Angst vor den bedrohlichen Russen eingeimpft. Auch die aktuellen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit Russland stehen unter massivem Beschuss seitens der US-Administration (siehe die ständige Torpedierung der Nordstream II-Pipeline für Erdgas). Ist vor diesem Hintergrund das Anheizen des Ukraine-Konflikts nicht bereits das perfide Einfädeln eines vernichtenden Nuklearkriegs auf europäischen Boden? Und zwar mit dem Ziel der absoluten Schwächung Europas (wie schon im 1. und 2. Weltkrieg), um die US-Administration weiterhin die Nr. 1 bleiben zu lassen. Putin warnt vor dem Einsatz von Atomwaffen Nach dem Besuch von Macron sagte Putin unmissverständlich, dass er keine Atomwaffen einsetzen wolle. Sollte jedoch der Abstand zwischen der NATO und Russland zu gering sein, würde dies ungewollt zu Komplikationen führen. Kritisch wurde es am 11./12. Februar 2022 auf der Sicherheitskonferenz in München, als der ukrainische Staatschef Selenskyj mit Zustimmung der US-Administration erklärte, dass er Nuklearwaffen und Trägerraketen beschaffen würde. Das war aber in dem Abkommen von Budapest 1994 ausgeschlossen worden. Als dann noch die NATO mit dem Einsatz von Atomraketen drohte, setzte Putin am 27. Februar 2022 seine Nuklearkräfte in den Alarmzustand Stufe 1. Doch er machte klar, dass er Atomwaffen nur im äußersten Verteidigungsfall einsetzen würde. Spiel der EU mit der Ukraine Im Herbst 2013 drängte die EU die Ukraine, ein Handels- und Wirtschaftsabkommen mit ihr abzuschließen. Doch es war nicht unproblematisch, denn die ukrainische Industrie und Landwirtschaft arbeiteten eng mit Russland zusammen. Bezüglich der Qualität und Produkte war die Ukraine auf Russland ausgerichtet und nicht auf westliche Standards. Qualitativ konnte die Ukraine im Wettbewerb mit dem europäischen Markt kaum bestehen. Aus diesem Grund wollte die damalige ukrainische Regierung unter Janukowytsch zwei Abkommen schließen, eins mit Russland und eins mit der EU. Doch die EU, in der Person von Barroso, verlangte von der Ukraine, sich zwischen Russland und der EU zu entscheiden. Mit dem vom Westen angeheizten Maidan-Putsch 2014 und der Vertreibung Janukowytschs wurde dann der Spaltkeil endgültig zwischen die Ukraine und Russland getrieben. Der Unabhängigkeitskampf der Krim Im Januar 1991, also noch während der Zeit der Sowjetunion, hat die Krim ein Referendum durchgeführt, um Russland anzugehören und nicht mehr der Ukraine. So ist sie eine autonome Sowjetrepublik geworden. Wichtig ist zu wissen, dass die Krim sich für unabhängig erklärt hat, bevor die Ukraine unabhängig wurde. Die Krim hatte ihre eigene Verfassung mit ihren eigenen Behörden. Zu diesem Zeitpunkt betrachtete sich die überwiegend russischsprachige Krim nicht als Teil der Ukraine, sondern sie verstand sich als von ihr unabhängig. Aber die Ukraine akzeptierte dies nicht. 1995 stürzte die Ukraine die Regierung der Krim mit Spezialeinheiten und erklärte ihre Verfassung für ungültig. Nun regierte durch diesen illegalen Putsch die Ukraine die Krim. 2014 gab es aufgrund des Maidan-Putsches, des nachfolgenden Odessa-Massakers und aus Sorge vor ähnlichen Entwicklungen ein erneutes Referendum der Krim, in dem die Bevölkerung die Behörden ermächtigte, Russland um Aufnahme zu bitten. Treibende Kraft für den Anschluss war somit nicht Russland, sondern der ausdrückliche Wunsch der Krim-Bevölkerung. Fazit: Seit Mitte März ist die Lage in der Ukraine explodiert, d.h. die Zivilbevölkerung steht sehr unter Beschuss. Ob es sich hier ähnlich wie bei den Maidan-Unruhen 2014 um eine gesteuerte Inszenierung der US-Administration handelt, bleibt jedoch zunächst reine Spekulation. Zur Erinnerung: Bei den Maidan-Unruhen 2014 brachte eine dritte Partei im Hintergrund, nämlich US-angeheuerte Scharfschützen, durch Todesschüsse auf beide Fronten die Situation zum Überkochen. – Bei all den vielen Diskussionen und dem Ringen um das Gesamtbild muss jedoch eines im Vordergrund bleiben: Wir lassen uns im Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit nicht spalten.
von hm./ chr./ gr./ lex./ pg./ nis./ uh.